*1970 in Kurgan Tjube, TJ, lebt und arbeitet in Dresden
Die Arbeit Vermessen besticht durch das Zusammenspiel von Symmetrie und ihrer Störung. Es ist DAS Moment der Verlebendigung, eine Mathematik des Lebendigen – keine Idealmaße, sondern gelebte Maße.
Ideale Proportion und lebendige Wirklichkeit sind niemals absolut deckungsgleich. Um die Kunst zum lebendigen Gegenüber werden zu lassen, bildet die Abweichung die Voraussetzung. Es ist das Prinzip des verlebendigenden Bruchs, der Bewegung auslöst und ermöglicht – wie passend, dass Quiring hier ausgerechnet seine Gelenkpunkte vermessen hat, jene Stellen am Körper, die ihn überhaupt erst beweglich sein lassen. Aufs Wesentliche konzentriert, eben im Stil des Minimalismus, führt uns Anton Quiring die Extreme des menschlichen Wesens vor Augen: Der Mensch transportiert in seiner symmetrischen Erscheinung die Idee der Vollendung in sich – also das Göttliche. Zugleich aber wird diese Vollkommenheit gestört durch die lebendigen Brüche seiner Disproportionalität – das ist wohl die uns innewohnende Fehlbarkeit. Reine Symmetrie wäre ein Zeichen höchster Vollendung und ist dem Göttlichen oder dem industriell Produzierten, dem Toten, vorbehalten.
Auszug aus: Carolin Quermann, Anton Quiring – Ausrichtung, Eröffnungsrede zur Ausstellung im RAUM SCHROTH, 2020, veröffentlicht im Ausstellungskatalog, hg. v. Stiftung Konzeptuelle Kunst, Soest 2020, S. 11–15.