Das Werk der in Berlin lebenden Künstlerin Susanne Jung scheint auf den ersten Blick äußerst klar und einfach: Farbstreifen oder Balken, Rechtecke, Quadrate, gelegentlich auch Kreisformen auf Leinwand oder verschiedenen Stoffen, Papier, Holz, sanfte Farben. Alles ist sichtbar oder scheint erkennbar und verständlich.
Als Farbmalerin steht sie in der langen Tradition der westlichen Farbfeldmalerei, in der Nachfolge von Größen wie Rothko, Kelly, Newman u.a..
Das trügt aber, denn dieses ist nur die eine Welt, der ihr Werk zugehörig ist. Jungs Werk ist – insbesondere in dieser Ausstellungsreihe ‚WestFarbe‘ – ein Bindeglied zum Osten.
Mehrere Reisen in den Nordwesten Chinas, insbesondere in die Region der Stadt Dunhuang, veränderten Jungs Umgang mit Farbe und das Verständnis des Bildes als ‚Spiegel‘, Portrait oder als Fenster, wie es oft im Modernismus gesehen wird. Die Wandmalereien in buddhistischen Höhlentempeln übten und üben einen nachhaltigen Einfluss auf ihre Malerei aus. (Und hier besteht eine Nähe zu Agnes Martin, für die buddhistisches Gedankengut ebenfalls zentral war.) Hierzu passt auch, dass das Bild durch die Berührung mit der fernöstlichen Kultur als Rollbild konzipiert und präsentiert wird.
Hiesige, westliche Betrachtende allerdings sehen das Werk primär mit ihren westlich geübten Augen, sehen gerahmte Flächen, ein Bild im Bild, Farbdialoge, deren Farbigkeit etwas ‚fremd‘ imponiert. Je länger man sich den Bildern von Susanne Jung aussetzt, um so mehr Tiefe entdeckt man, sieht sich herausgefordert, über das geübte Sehen hinauszugehen.
Mogao Q2, 2016
2016, Tusche, Acryl , Öl auf Leinwand
220 x 200 cm