*1957 in München, lebt und arbeitet in Köln
Thomas Deyles Bilder gehören, was ihre Entschiedenheit und Reinheit betrifft, ins Zentrum des Purismus […].
Sein Thema ist die reine Farbe, die monochrom und ohne binnenbildliche Form Bildgestalt hat. Farbe ist das Subjekt seiner Bilder und zugleich im wörtlichen Sinne ihr Gegenstand. Sie präsentiert sich als gleichermaßen materielle wie immaterielle Erscheinung und offenbart in dieser Dialektik ihre fundamentalen Qualitäten sowie ihre Fähigkeit zur Differenz, die alles begriffliche Vermögen überschreitet.
Sie ist in ihrer bildlichen Erscheinung rational begreifbar und doch auch ein Medium des Irrationalen. Sie ist Fläche und ebenso virtueller Raum, ist als Bildobjekt Physik und eröffnet zugleich metaphysische Aspekte des Raumes.
Lothar Romain
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Aus der Farbfläche wird ein Farbraum von unendlich scheinender Tiefe. Diese verbildlicht u. a. jene Erfahrung räumlicher Unbegrenztheit, die Thomas Deyle 1989 in den landschaftlichen Weiten der USA erlebt hatte.
Voraussetzung dieser beeindruckenden Sichtbarmachung höchst sensiblen Farb- und Lichtempfindens ist ein sehr bewusster, technisch höchst aufwändiger Malprozess: nahezu exerzitienhaft trägt Thomas Deyle mit der Kunststoffwalze hunderte, bisweilen über 1000 lasierende Farbschichten auf eine Plexiglasplatte auf. Mit zunehmender Überlagerung der nahezu transparenten Schichten sättigt und verdichtet sich die Farbe zum Zentrum hin. Durch Übereinanderlegen unterschiedlicher Farbtöne entstehen gleichmäßige, fast unmerkliche Farbverläufe. Zur Begrenzung der jeweils nächsten Farbschichtung arbeitet er mit flexibel über den Bildträgern gespannten Gummibändern, die nach zuvor festgesetzten Abstandsparametern versetzt werden. […] Die Parameter seiner Farbschichtungen leitet Thomas Deyle aus vorab frei gezeichneten Parabeln und daraus berechneten Koordinaten ab. Die von ihnen festgelegten Schichtungen werden als Zahlenkolonnen auf den Zeichnungen dokumentiert. Diese vorbereitenden und begleiteten Grafiken präsentiert der synästhetisch empfindende Sohn eines Dirigenten als »Partituren«, die, bei veränderbarer lnterpretation, wiederholbar wären. Mit diesen begleitenden Grafiken legt er sich und dem Betrachter Rechenschaft über den mathematisch-rationalen Teil der Bildgenese ab. Zugleich offenbart er den gegenständlichen Ausgangspunkt einer gegenstandslosen Kunst. So werden u. a. bunte Käfer zur lnspiration von Farbkombinationen, während die Rundung ihrer angelegten Flügel durch den modellierenden Körperschatten zum Ausgangspunkt eines Hell-Dunkel-Verlaufs innerhalb der gleichen Farbe wird. […]
Trotz vordergründig vollständiger Abstraktion entstehen Thomas Deyles Arbeiten häufig vor dem Hintergrund inhaltlicher Vorstellungen. Die Wechselwirkung zwischen gegenständlichem Ausgangsmaterial und während des Malprozesses entstehender Gegenstandsassoziationen manifestiert sich auch in den Bildtiteln. Den Standardtitel abstrakter Kunst »ohne Titel« sucht man vergebens.
Markus Golser